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Nachrichten und Pressemitteilungen
Updated: 1 day 19 hours ago

Marcel Fratzscher: „Die EZB sendet ein starkes Signal, aber kommuniziert riskant“

Thu, 09/08/2022 - 03:45

Die Ergebnisse der heutigen Sitzung des Rates der Europäischen Zentralbank (EZB) kommentiert Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), wie folgt:

-->Mit ihrer stärker als erwarteten Erhöhung des Leitzinses sendet die EZB eine Mahnung an alle wirtschaftlichen Akteure, dass sie gewillt ist, die geldpolitischen Zügel so stark und so lange anzuziehen, bis die Inflation unter Kontrolle ist. Die deutliche Erhöhung des Leitzinses ist richtig und notwendig, zumal die Geldpolitik mit negativen Realzinsen auf Rekordniveau noch immer sehr expansiv ist. Ich erwarte zwei weitere Zinsschritte und eine weitere Erhöhung des Leitzinses in diesem Jahr um noch mal insgesamt 100 Basispunkte.

Allerdings läuft die EZB Gefahr, einen Fehler in ihrer Kommunikation zu begehen. Ihr Versprechen von weiteren starken Zinserhöhungen im Jahr 2023 und einer baldigen Rückkehr zur Preisstabilität wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit als unerfüllbar erweisen. Denn die EZB, wie die meisten anderen Zentralbanken, hat in diesen Krisenzeiten zu wenig Einfluss auf die Inflation über die kommenden eineinhalb Jahre, da diese hauptsächlich durch höhere Preise für Energie und andere vorrangig importierte Güter getrieben wird. Ich halte daher die EZB-Prognose einer Rückkehr zu einer Inflationsrate von knapp zwei Prozent im Jahr 2024 für unrealistisch.

Die Gefahr einer tiefen Rezession in der Eurozone 2023 und Risiken der Finanzstabilität werden es der EZB zudem kaum möglich machen, die Leitzinsen ähnlich stark zu erhöhen wie die US-Notenbank. Dabei ist nicht die Staatsverschuldung mancher Länder des Euroraums das Problem, sondern die Risiken bei privaten Investoren und einer noch tieferen Rezession. Die neue Kommunikationsstrategie der EZB ist gefährlich und könnte sich schädlich auf die Glaubwürdigkeit und damit die Effektivität der Geldpolitik auswirken. Dies könnte ultimativ bedeuten, dass die EZB die Inflationserwartungen weniger gut verankern kann und letztlich deutlich länger braucht, um ihrem Mandat der Preisstabilität wieder gerecht zu werden.

Claudia Kemfert: „Atomkraftwerke sind für die Netzreserve ungeeignet“

Tue, 09/06/2022 - 10:55

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will zwei der drei verbleibenden Atomkraftwerke bis April in Reserve halten. Dazu eine Einschätzung von Claudia Kemfert, Energieökonomin und Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin):

Die Stresstests zeigen, dass die Energieversorgung in Deutschland gesichert werden kann und Atomkraft dazu nicht benötigt wird. Die Energieversorgung in Deutschland ist gesichert, auch ohne Atomkraft. Mögliche Versorgungsengpässe werden nicht durch deutsche, sondern vor allem durch marode französische Atomkraftwerke verursacht. Atomkraftwerke sind für die Netzreserve ungeeignet, da sie nicht mal eben an- und ausgeschaltet werden können. Sie müssen sicherheitstechnisch überprüft und es müssen Personal und Brennelemente vorgehalten werden. Dies ist aufwendig und teuer. Aufwand und Ertrag stehen also in keinem Verhältnis.

Nur knapp ein Prozent des in Deutschland verbrauchten Erdgases kann durch Atomkraft eingespart werden. Atomkraftwerke produzieren – anders als Kohlekraftwerke – nur Strom und keine Wärme. Die Hälfte der Gaskraftwerke hingegen produziert neben Strom auch Wärme. Zur Sicherung der Versorgung werden daher neben mehr erneuerbaren Energien auch Kohlekraftwerke aus der Netzreserve benötigt. Zur Sicherung der Versorgung sind der Ausbau erneuerbarer Energien – auch und gerade im Süden Deutschlands –, ein effektives Energie- und Lastmanagement, der Ausbau von Speicheroptionen und vor allem eine Ausweitung der Kapazitäten in Frankreich und anderen europäischen Ländern elementar.

Studentische Hilfskraft (m/w/div) in der Abteilung Makroökonomie

Tue, 09/06/2022 - 09:36

Die Abteilung Makroökonomie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) sucht zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine studentische Hilfskraft (m/w/div) für 10 Wochenstunden.


Vorstandsreferent*in (div/w/m)

Tue, 09/06/2022 - 04:10

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) sucht zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine*n Vorstandsreferent*in (div/w/m) (Vollzeit mit 39 Stunden pro Woche, Teilzeit ist möglich).


Marcel Fratzscher: „Entlastungspaket lässt trotz guter Elemente Fragen offen und ignoriert Klimaschutz“

Sun, 09/04/2022 - 01:32

Die Ampelkoalition hat sich auf ein drittes Entlastungspaket verständigt, das Hilfen im Gesamtumfang von 65 Milliarden Euro vorsieht. Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) kommentiert die einzelnen Maßnahmen wie folgt:

Das dritte Entlastungspaket der Bundesregierung enthält gute Elemente, ist aber bei wichtigen Fragen unausgegoren, verteilt Gelder zu sehr per Gießkannenprinzip und ignoriert den Klimaschutz. Die Stärke des Entlastungspakets liegt in der Erhöhung der Leistungen für die verletzlichsten Menschen. Die Wohngeldreform, die Anpassungen beim Bürgergeld, die Erhöhung des Kindergeldes und die Ausweitung der Midijob-Grenze sind gute, zielgenaue Elemente - auch wenn das Paket dabei nicht immer innovativ ist, sondern eh schon geplante Maßnahmen vorzieht. Eine zweite Stärke ist die Unterstützung von kleinen und mittleren Unternehmen - durch Kredithilfen, die Fortsetzung des Kurzarbeitergelds, die Einbeziehung der Unternehmen bei der Strompreisbremse und die Verlängerung der Umsatzsteuersenkung für die Gastronomie. 

Die Bundesregierung bleibt bei der wichtigsten Herausforderung, der Begrenzung von Strom- und Gaspreisen, aber eine Lösung schuldig. Es fehlt ein Plan bei der Strompreisbremse, die völlig unausgereift ist und dem Prinzip Hoffnung folgt. Wenn überhaupt, wird sie erst in vielen Monaten umgesetzt werden können. Und sie lässt viele Fragen offen, etwa wie ein Basisverbrauch definiert werden soll. Die Bundesregierung koppelt die Strompreisbremse an die Abschöpfung der Übergewinne, ohne einen Plan vorzulegen, wie dies geschehen soll. Das Aussetzen der Anpassung des CO2-Preises ist ein katastrophales Signal für den Klimaschutz. Die Bundesregierung muss bei einem Entlastungspaket die langfristige Transformation mitdenken. Dies fehlt völlig im Entlastungspaket. 

Die versprochenen 65 Milliarden Euro sind ein angemessener Umfang. Sie werden jedoch zu sehr per Gießkannenprinzip verteilt und nicht zielgenau genug Menschen in der Mittelschicht und mit geringeren Einkommen zugutekommen. Besserverdiener werden den größten Teil der Euro 65 Milliarden erhalten. Alleine 70 Prozent der zehn Milliarden Euro der Entlastung der kalten Progression kommen den oberen 30 Prozent zugute. Es gibt zu viele Vergessene im Entlastungspaket. Einmalzahlungen für RentnerInnen und Studierende werden für lediglich zwei Monate, aber nicht länger ausreichen. Dauerhafte Hilfen für diese Menschen, mindestens für die kommenden beiden Winter, wären dringend notwendig gewesen. Als Vergleich: Ein Paar mit 130.000 Euro Jahreseinkommen wird alleine bei der kalten Progression jährlich mit 958 Euro entlastet, RentnerIinnen und Studierende lediglich mit 300 Euro beziehungsweise 200 Euro. Die Bundesregierung wird, entgegen aller Versprechen, die Schuldenbremse 2023 nicht einhalten können. Ich erwarte, dass die Bundesregierung noch vor Ende des Jahres die Schuldenbremse für 2023 kippen und Farbe bekennen muss.

Marcel Fratzscher: „Inflation: Politik muss Last auf alle Schultern verteilen“

Tue, 08/30/2022 - 03:55

Im August ist die Inflationsrate auf 7,9 Prozent gestiegen, wie das Statistische Bundesamt heute bekanntgegeben hat. Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), erklärt dazu:

Der Anstieg der Inflation im August wird noch nicht das Ende gewesen sein. Ich rechne mit Inflationsraten von bis zu 10 Prozent zum Jahresende. Alleine das Ende der temporären Entlastungen wie dem Neun-Euro-Ticket dürfte die Inflation um einen Prozentpunkt erhöhen. Zudem werden Unternehmen einen größeren Teil des Preisanstiegs an die Konsumentinnen und Konsumenten weitergeben.
Im kommenden Jahr werden wir uns auf eine Inflationsrate von fünf Prozent oder mehr einstellen müssen. Vor allem bei den Energiepreisen werden viele noch böse Überraschungen erleben.
Weder die Bundesregierung noch die Zentralbank können etwas an der hohen Inflation ändern, weil die Hauptursache der Krieg in der Ukraine ist. Aber die Politik kann und muss die Last der hohen Inflation und den wirtschaftlichen Schaden auf alle Schultern verteilen, vor allem auf die stärksten. Im Augenblick tragen vor allem Menschen mit geringen Einkommen die höchste Last.

Marcel Fratzscher: „Mehrwertsteuer-Senkung ist keine zielgenaue Entlastung, direkte Transferzahlungen wären besser“

Thu, 08/18/2022 - 02:06

Die Bundesregierung will die Mehrwertsteuer auf Erdgas befristet auf sieben Prozent von 19 Prozent senken. Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), kommentiert dies wie folgt:

Die Senkung der Mehrwertsteuer auf Erdgas in Deutschland klingt erst einmal gut, lässt aber eher vermuten, dass die Bundesregierung keine Strategie hat, wie sie Menschen zielgenau entlasten kann und Anreize für Einsparungen setzen will. Denn die Bundesregierung gibt an, dass die finanzielle Entlastung durch die geringere Mehrwertsteuer in etwa die höheren Kosten durch die Gasumlage kompensiert. Es ist nicht klar, wieso die Bundesregierung die Gasumlage an die Konsumentinnen und Konsumenten weitergibt, um sie dann mit einer weiteren Maßnahme, der Senkung der Mehrwertsteuer, um den gleichen Betrag zu entlasten. Es stellt sich die Frage, ob es nicht sinnvoller gewesen wäre, die Bundesregierung hätte die Gasumlage selber bezahlt und nicht mit diesen zwei Maßnahmen lediglich zusätzliche Bürokratie und Unsicherheit geschaffen.

Die Senkung der Mehrwertsteuer ist besser als gar keine Entlastung. Aber es ist kein gutes Instrument, denn es ist teuer, nicht zielgenau und entlastet Menschen mit geringen Einkommen viel zu wenig. Das Absenken der Mehrwertsteuer auf Gas bedeutet Hilfen per Gießkannenprinzip, von denen Menschen mit hohen Einkommen den größten Teil der Hilfen bekommen. Und sie ist für Menschen mit geringen Einkommen bei weitem nicht ausreichend. Eine typische vierköpfige Familie, die eine Gasheizung hat, wird durch die geringere Mehrwertsteuer um circa 500 Euro im Jahr entlastet. Gleichzeitig bedeutet der Preisanstieg in diesem Jahr, auch nach dieser Absenkung der Mehrwertsteuer, einen Anstieg der Gaskosten um 3600 Euro. 

Daher ist die Reduzierung der Mehrwertsteuer wenig mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Die ungleich bessere Maßnahme sind direkte Transferzahlungen wie ein Energiegeld von 100 Euro pro Monat und pro Person für Haushalte mit mittleren und geringen Einkommen. Die Senkung der Mehrwertsteuer jetzt darf keine Entschuldigung für die Bundesregierung sein, sie muss in einem dritten Entlastungspaket solche zielgenauen und direkten Transferzahlungen umsetzen.

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