Die Covid-19-Krise schränkt den sozialen Umgang ein, kappt physische internationale Verbindungen und beschleunigt gleichzeitig weltweit die Digitalisierungsprozesse. Schon vor der Pandemie stellte die dringliche Reduzierung von Emissionen die Notwendigkeit globaler physischer Treffen mit ihrem hohen Kohlenstoff-Fußabdruck in Frage und verlangte nach umweltfreundlichen technischen Lösungen. Die Digitalisierung hat großes Potenzial als Katalysator für einen weltweiten Wandel hin zu einer nachhaltigen Entwicklung zu wirken, wie sie in der 2030-Agenda der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung vereinbart wurde. Obwohl nicht umfassend in die Agenda 2030 integriert, gehören digitale Technologien zu den mächtigsten Werkzeugen zur Erreichung der Ziele nachhaltiger Entwicklung (SDGs). Die Digitalisierung wird in den kommenden Jahrzehnten unser Leben weiter verändern – auf persönlicher, politischer, gesellschaftlicher, ökologischer und wirtschaftlicher Ebene. Diskussionen und Verfahren in allen Bereichen werden sich ändern, von der Landwirtschaft über die Industrie bis zum Finanzwesen, von der Bildung bis zur Gesundheit, Demokratie und den Menschenrechten. Die Wechselbeziehung von Digitalisierung und nachhaltiger Entwicklung muss daher auf integrierte Weise angegangen werden, damit positive Auswirkungen maximiert und mögliche negative Auswirkungen gemildert werden können.
Digitalisierung ist sowohl ein innenpolitisches Politikfeld als auch ein Gebot für internationale Zusammenarbeit. Mit dem Anspruch, den Übergang zu einem gesunden Planeten und einer neuen digitalen Welt anzuführen, veröffentlichte die Europäische Kommission im Februar 2020 eine Vision, Ziele und Schwerpunktbereiche, wie Europas digitale Zukunft gestaltet werden kann. Die Europäische Union bekundete auch ihre Absicht, ein weltweites Vorbild für die digitale Wirtschaft zu werden. Sie wird digitale Standards festlegen und fördern und gleichzeitig die digitale Entwicklung von Entwicklungs- und Schwellenländern unterstützen.
Investitionen in Digitalisierung finden auch in vielen anderen Teilen der Welt statt, darunter in den technologisch entwickelten aufstrebenden Mächten. Länder wie Brasilien, Indien und Mexiko formulieren Digitalisierungsstrategien und setzen neue Technologien ein, um ihre spezifischen Herausforderungen zu bewältigen, zum Beispiel bei der Politik mit großen Bevölkerungen oder beim Management ihrer Ressourcen. Ihre Ansätze haben einen erheblichen Einfluss – aufgrund ihrer Größe und ihrer Position auf der internationalen Bühne. Diese aufstrebenden Mächte setzen digitale Werkzeuge ähnlich ein, aber in unterschiedlichem Tempo und mit unterschiedlichen wirtschaftlichen Ergebnissen. Die Wirksamkeit des Digitalisierungsprozesses einer Nation hängt von der jeweiligen Politik und der Bereitschaft der Gesellschaft ab, digitale Verfahren zu übernehmen.
Dabei wird ein großer Teil des Dialogs vom kommerziellen Unternehmensmodell der US-Digitalisierung (Google, Amazon, Facebook, Apple) auf der einen Seite und vom staatlichen Überwachungsmodell der chinesischen Digitalisierung auf der anderen Seite bestimmt. Europäische Positionen, wie sie in der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zum Ausdruck kommen, werden auch in aufstrebenden Mächten wahrgenommen und dienen als Orientierungspunkt, wenn es um den Schutz der Privatsphäre, die Datensicherheit und das Verhältnis von Staat und Bürger geht. Europa sollte auf dieser Rolle aufbauen und engere Partnerschaften mit den aufstrebenden Volkswirtschaften entwickeln, um gemeinsam Modelle zu entwickeln, die den europäischen Standards entsprechen, also auf Evidenz, guter Regierungsführung sowie den Menschenrechten, einschließlich des Rechts auf Privatsphäre, basieren.
Diese alternativen Modelle zielen darauf, die Möglichkeiten digitaler Instrumente zu nutzen und das Missbrauchspotenzial zu begrenzen. In der aktuellen Covid-19-Krise bedeutet dies, dass digitale Instrumente die Zusammenarbeit ohne physische Treffen erleichtern können; gleichzeitig können die Rückverfolgung von Infektionen und die Überwachung der Einhaltung von Kontaktverboten so organisiert werden, dass die Grundrechte so weit wie möglich respektiert werden.
Um Fragen wie diese anzugehen, wurde das Projekt PRODIGEES – kurz für „Promoting Research on Digitalisation in Emerging Powers and Europe towards Sustainable Development“ – ins Leben gerufen. Es verbindet die Forschung verschiedener Thinktanks und Forschungseinrichtungen aus Europa und Brasilien, Indien, Indonesien, Mexiko und Südafrika. Der Forschungsschwerpunkt von PRODIGEES liegt an der Schnittstelle von Digitalisierung und Nachhaltigkeit und stärkt die Partnerschaften des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) mit Akteuren aus den aufstrebenden Mächten. Die neue Initiative ist Teil des Programms Managing Global Governance (MGG) und erhält einen 4-Jahres-Zuschuss aus dem EU-Forschungsrahmenprogramm „Horizont 2020“. Auf seiner Grundlage finden auch länderübergreifende Fortbildungen und Dialoge mit unterschiedlichen Interessengruppen statt, um politische Wege zur Erreichung der SDGs zu fördern.
Angesichts der katalytischen Wirkung der Covid-19-Pandemie auf Digitalisierung ist die aktuelle Krise ein dringender Aufruf zu einer gründlichen Analyse der Auswirkungen der Digitalisierung auf Nachhaltigkeit und zu einer seit langem notwendigen Diskussion darüber, wie sie sinnvoll für das Gemeinwohl eingesetzt und genutzt werden kann. Es müssen engere Partnerschaften mit den aufstrebenden Volkswirtschaften gebildet werden, um voneinander und miteinander über unsere Digitalisierungsprozesse zu lernen und moderne Technologie als Transformationswerkzeug für nachhaltige Entwicklung zu nutzen.
Um die Ausbreitung des Corona-Virus zu begrenzen, wurden ab März deutschlandweit die Schulen geschlossen. Seitdem sollen die SchülerInnen überwiegend zu Hause lernen – in welcher Form genau, wird von Schule zu Schule sehr unterschiedlich gehandhabt. Diese Analyse zeigt, dass sich Schulkinder je nach Leistungsniveau signifikant in der schulischen Motivation, den häuslichen Bedingungen und in den Unterstützungsmöglichkeiten durch die Eltern unterscheiden. Da es auf diese Faktoren für den Lernerfolg in der derzeitigen Situation stärker denn je ankommt, drohen Bildungsungleichheiten und Leistungsunterschiede noch zuzunehmen. Etwa, wenn leistungsschwächere SchülerInnen weniger motiviert sind und schlechtere häusliche Lernbedingungen vorfinden. Auch vor dem Hintergrund bevorstehender, wichtiger Übergänge von SchülerInnen an weiterführende Schulen sollten daher dringend Angebote geschaffen werden, die es allen Kindern ermöglichen, zuhause effektiv lernen und individuelle Unterstützung beim Aufholen erhalten zu können. Das gilt auch für die Zeit, wenn die Schulen wieder geöffnet haben und regulärer Unterricht stattfindet.
Earmarking financial contributions for specific geographic, thematic or other priorities has emerged as an important modality for funding multilateral development organisations. Earmarking has had positive consequences, such as the mobilisation of resources for multilateral organisations and new partnership modalities, including with non-state actors. Yet, there has been a rising concern about challenges relating to the effectiveness, efficiency and legitimacy of multilateral development cooperation. Understanding and addressing these negative aspects has gained a new urgency. The 2030 Agenda for Sustainable Development and the crisis of multilateralism make it imperative to tackle the downsides of earmarked funding and bring out its positive forces.
This study was commissioned by the German Ministry for Economic Cooperation and Development. Germany is a latecomer to earmarking – the government has begun only in recent years to make use of earmarked funds at a larger scale. The study analyses the most important instruments of earmarked funding, studies practices of selected donors that supply large shares of earmarked funding, and analyses practices and consequences of earmarked funding with regard to the UN Development System and multilateral development banks. The study concludes with recommendations to the German government on how to improve its earmarking practices.
Earmarking financial contributions for specific geographic, thematic or other priorities has emerged as an important modality for funding multilateral development organisations. Earmarking has had positive consequences, such as the mobilisation of resources for multilateral organisations and new partnership modalities, including with non-state actors. Yet, there has been a rising concern about challenges relating to the effectiveness, efficiency and legitimacy of multilateral development cooperation. Understanding and addressing these negative aspects has gained a new urgency. The 2030 Agenda for Sustainable Development and the crisis of multilateralism make it imperative to tackle the downsides of earmarked funding and bring out its positive forces.
This study was commissioned by the German Ministry for Economic Cooperation and Development. Germany is a latecomer to earmarking – the government has begun only in recent years to make use of earmarked funds at a larger scale. The study analyses the most important instruments of earmarked funding, studies practices of selected donors that supply large shares of earmarked funding, and analyses practices and consequences of earmarked funding with regard to the UN Development System and multilateral development banks. The study concludes with recommendations to the German government on how to improve its earmarking practices.
Earmarking financial contributions for specific geographic, thematic or other priorities has emerged as an important modality for funding multilateral development organisations. Earmarking has had positive consequences, such as the mobilisation of resources for multilateral organisations and new partnership modalities, including with non-state actors. Yet, there has been a rising concern about challenges relating to the effectiveness, efficiency and legitimacy of multilateral development cooperation. Understanding and addressing these negative aspects has gained a new urgency. The 2030 Agenda for Sustainable Development and the crisis of multilateralism make it imperative to tackle the downsides of earmarked funding and bring out its positive forces.
This study was commissioned by the German Ministry for Economic Cooperation and Development. Germany is a latecomer to earmarking – the government has begun only in recent years to make use of earmarked funds at a larger scale. The study analyses the most important instruments of earmarked funding, studies practices of selected donors that supply large shares of earmarked funding, and analyses practices and consequences of earmarked funding with regard to the UN Development System and multilateral development banks. The study concludes with recommendations to the German government on how to improve its earmarking practices.
The UK government together with UN climate officials announced that the UN climate change conference “COP26” that was set to convene in Glasgow, Scotland, in November 2020, will be postponed into 2021 in response to the ongoing Corona crisis. Concomitantly, the UNFCCC has decided to reschedule its intermediary round of negotiations, which were set to convene in Bonn in early June, to 4-12 October 2020. This hardly comes as a surprise, yet poses an unprecedented challenge for the multilateral climate process, which stands at the doorstep of a new era even without “COVID-19.”
The UK government together with UN climate officials announced that the UN climate change conference “COP26” that was set to convene in Glasgow, Scotland, in November 2020, will be postponed into 2021 in response to the ongoing Corona crisis. Concomitantly, the UNFCCC has decided to reschedule its intermediary round of negotiations, which were set to convene in Bonn in early June, to 4-12 October 2020. This hardly comes as a surprise, yet poses an unprecedented challenge for the multilateral climate process, which stands at the doorstep of a new era even without “COVID-19.”
The UK government together with UN climate officials announced that the UN climate change conference “COP26” that was set to convene in Glasgow, Scotland, in November 2020, will be postponed into 2021 in response to the ongoing Corona crisis. Concomitantly, the UNFCCC has decided to reschedule its intermediary round of negotiations, which were set to convene in Bonn in early June, to 4-12 October 2020. This hardly comes as a surprise, yet poses an unprecedented challenge for the multilateral climate process, which stands at the doorstep of a new era even without “COVID-19.”
President François Hollande entered public office in 2012 with a non-interventionist agenda that promised to draw down French troops in Africa and promoted collective African and European mechanisms to reduce France’s military footprint in the region. One year later, the same president deployed 4,000 combat troops to Mali, initially without any multilateral participation. To understand this apparent contradiction between multilateral rhetoric and operational unilateralism, this article looks at France’s efforts in previous years to establish African and European military operations in support of the Malian state. The article finds that France’s commitment to multilateralism is genuine yet not absolute – meaning that French policy-makers do not shy away from operational unilateralism if conditions on the ground seem to require swift and robust military action, as long as they can count on the political support of key international partners.
President François Hollande entered public office in 2012 with a non-interventionist agenda that promised to draw down French troops in Africa and promoted collective African and European mechanisms to reduce France’s military footprint in the region. One year later, the same president deployed 4,000 combat troops to Mali, initially without any multilateral participation. To understand this apparent contradiction between multilateral rhetoric and operational unilateralism, this article looks at France’s efforts in previous years to establish African and European military operations in support of the Malian state. The article finds that France’s commitment to multilateralism is genuine yet not absolute – meaning that French policy-makers do not shy away from operational unilateralism if conditions on the ground seem to require swift and robust military action, as long as they can count on the political support of key international partners.
President François Hollande entered public office in 2012 with a non-interventionist agenda that promised to draw down French troops in Africa and promoted collective African and European mechanisms to reduce France’s military footprint in the region. One year later, the same president deployed 4,000 combat troops to Mali, initially without any multilateral participation. To understand this apparent contradiction between multilateral rhetoric and operational unilateralism, this article looks at France’s efforts in previous years to establish African and European military operations in support of the Malian state. The article finds that France’s commitment to multilateralism is genuine yet not absolute – meaning that French policy-makers do not shy away from operational unilateralism if conditions on the ground seem to require swift and robust military action, as long as they can count on the political support of key international partners.
Ist Afrika der Corona-Pandemie schutzlos ausgeliefert? Dies scheint naheliegend, zwingt die Pandemie doch selbst Gesundheitssysteme in die Knie, die sehr viel besser ausgestattet sind als die vieler afrikanischer Länder. Doch diese Schlussfolgerung ist voreilig. Einige afrikanische Länder sind zum Teil sogar besser auf Pandemien vorbereitet als Europa und die USA. Warum das so ist und was reichere Länder sowie die Entwicklungspolitik daraus lernen können, zeigt ein Blick auf die erfolgreiche Bekämpfung des Ebola-Ausbruchs 2014 in Nigeria.
Lernen aus ErfahrungWie andere Länder Afrikas, hat auch Nigeria Erfahrung mit Infektionskrankheiten wie Cholera, Meningitis, Gelbfieber, Lassafieber oder Ebola. Während der bisher größten Ebola-Epidemie starben in Westafrika zwischen 2014 und 2016 11.325 Menschen. Die Zahl der Opfer wäre noch deutlich höher gewesen, wenn sich die Krankheit mit Nigeria auch im bevölkerungsreichsten Land des Kontinents verbreitet hätte. Ebola erreichte Lagos, die mit 21 Millionen Einwohnern größte Stadt Afrikas, am 20. Juli 2014. An diesem Tag landete dort der liberianische Diplomat Patrick Sawyer, der sich zuvor in Liberia bei der Beerdigung seiner an Ebola verstorbenen Schwester infiziert hatte. Doch entgegen allen Befürchtungen, von Lagos aus würde sich die Krankheit national und international ausbreiten, wurde der Ausbruch erfolgreich gestoppt.
Wie war dies möglich in einem Land mit schwachem Gesundheitssystem, regelmäßigen stundenlangen Stromausfällen und weit verbreiteter Korruption? Zunächst war wichtig, dass vom Zeitpunkt des positiven Testergebnisses an alle Akteure entschieden handelten. Der nigerianische Präsident rief den Notstand aus und stellte finanzielle Mittel zur Verfügung. Am Nigeria Centre for Disease Control (NCDC) wurde ein Ebola Emergency Operational Centre (EOC) zur Koordination der Maßnahmen eingerichtet. Entscheidend für die effektive Arbeit des EOC war, dass es auf das eingespielte Personal eines Programms zur Bekämpfung von Polio in Nigeria zurückgreifen konnte.
Die wichtigste Aufgabe des EOC war die Nachverfolgung der Kontakte von Sawyer. 150 Kontaktnachverfolger, von denen viele zuvor im Polio-Programm gearbeitet hatten, führten mehr als 18.500 Besuche durch und nutzen Mobilfunkdaten, um 894 Personen zu identifizieren, die einen direkten oder indirekten Kontakt mit Sawyer gehabt hatten. Diese Personen wurden über die maximale Ebola-Inkubationszeit hinweg überwacht (21 Tage). Entwickelten sie Symptome, wurden sie isoliert und bei positivem Testergebnis in ein Behandlungszentrum verlegt. Insgesamt erkrankten 2014 in Nigeria 20 Personen, von denen acht starben. Die WHO lobte die erfolgreiche Kontaktnachverfolgung unter schwierigsten Bedingungen als eine „Weltklasseleistung epidemiologischer Detektivarbeit“.
Was bedeutet dies für Corona in Nigeria und in Afrika? Aufgrund ihrer Erfahrungen mit Infektionskrankheiten haben viele afrikanische Länder in den letzten Jahren Strukturen zur Bekämpfung von Epidemien aufgebaut. Diese Maßnahmen und der zeitliche Vorsprung, den der Kontinent gegenüber anderen Weltregionen in der Corona-Pandemie hat, sind von Vorteil. Dies gilt aber nur in einem frühen Stadium, solange sich durch die Identifizierung und Isolation infizierter Personen die Infektionsketten noch unterbrechen lassen. Einer unkontrollierten Ausbreitung von Covid-19 hätten die meisten afrikanischen Länder aufgrund ihrer in der Breite schwachen Gesundheitssysteme kaum etwas entgegenzusetzen.
Von Nigeria lernenAuch wenn Covid-19 und Ebola nur bedingt vergleichbar sind, können reichere Länder von Nigerias Erfahrungen lernen. Dies gilt insbesondere für die entschiedene Kontaktnachverfolgung, das umfangreiche Testen und die konsequente Isolation von Verdachtsfällen. Der Faktor Zeit ist dabei entscheidend: Je früher die Maßnahmen beginnen, umso eher können die Infektionsketten noch unterbrochen werden.
Der nigerianische Erfolg in der Bekämpfung von Ebola hält aber auch eine wichtige Erkenntnis für die internationale Entwicklungszusammenarbeit bereit: In ärmeren Ländern funktioniert nicht zwangsläufig alles schlechter als in reicheren Ländern. Was die Qualität von Regierungsführung und Verwaltung angeht, trifft dies in der Breite zwar oft zu, die lokalen Realitäten sind aber meist vielschichtiger. Schwache und leistungsfähige Institutionen existieren vielerorts nebeneinander. Unter dem Konzept der „pockets of effectiveness“ (Nischen der Effektivität) werden diese positiven Ausreißer in der Forschung erst seit kurzem untersucht. Nigerias Seuchenbekämpfungsbehörde NCDC ist eine solche Nische der Effektivität, wie die Organisation seit der Eindämmung von Ebola 2014 wiederholt unter Beweis gestellt hat.
In Ergänzung bisheriger Ansätze sollte die deutsche Entwicklungspolitik systematischer nach solchen Nischen der Effektivität suchen. Die Akteure hinter diesen Organisationen bieten vielversprechende Anknüpfungspunkte für nachhaltige Reformen sowohl in den Reformpartnerländern wie in fragilen Staaten. Unabhängig davon, wie sich die Zahlen der Covid-19-Infizierten in Afrika in den nächsten Monaten entwickeln, wird die globale wirtschaftliche Rezession den Kontinent schwer treffen. Zur Unterstützung des Wiederaufschwungs durch die deutsche und internationale Entwicklungspolitik wäre die gezielte Identifizierung und Unterstützung von Nischen der Effektivität und den Reformakteure dahinter ein wichtiger zusätzlicher Ansatz – im Gesundheitssektor und darüber hinaus.
Dieser Text ist Teil einer Sonderreihe unseres Formats Die aktuelle Kolumne, die die Folgen der Corona-Krise entwicklungspolitisch und sozioökonomisch einordnet. Sie finden die weiteren Texte hier auf unserer Überblicksseite.
Ist Afrika der Corona-Pandemie schutzlos ausgeliefert? Dies scheint naheliegend, zwingt die Pandemie doch selbst Gesundheitssysteme in die Knie, die sehr viel besser ausgestattet sind als die vieler afrikanischer Länder. Doch diese Schlussfolgerung ist voreilig. Einige afrikanische Länder sind zum Teil sogar besser auf Pandemien vorbereitet als Europa und die USA. Warum das so ist und was reichere Länder sowie die Entwicklungspolitik daraus lernen können, zeigt ein Blick auf die erfolgreiche Bekämpfung des Ebola-Ausbruchs 2014 in Nigeria.
Lernen aus ErfahrungWie andere Länder Afrikas, hat auch Nigeria Erfahrung mit Infektionskrankheiten wie Cholera, Meningitis, Gelbfieber, Lassafieber oder Ebola. Während der bisher größten Ebola-Epidemie starben in Westafrika zwischen 2014 und 2016 11.325 Menschen. Die Zahl der Opfer wäre noch deutlich höher gewesen, wenn sich die Krankheit mit Nigeria auch im bevölkerungsreichsten Land des Kontinents verbreitet hätte. Ebola erreichte Lagos, die mit 21 Millionen Einwohnern größte Stadt Afrikas, am 20. Juli 2014. An diesem Tag landete dort der liberianische Diplomat Patrick Sawyer, der sich zuvor in Liberia bei der Beerdigung seiner an Ebola verstorbenen Schwester infiziert hatte. Doch entgegen allen Befürchtungen, von Lagos aus würde sich die Krankheit national und international ausbreiten, wurde der Ausbruch erfolgreich gestoppt.
Wie war dies möglich in einem Land mit schwachem Gesundheitssystem, regelmäßigen stundenlangen Stromausfällen und weit verbreiteter Korruption? Zunächst war wichtig, dass vom Zeitpunkt des positiven Testergebnisses an alle Akteure entschieden handelten. Der nigerianische Präsident rief den Notstand aus und stellte finanzielle Mittel zur Verfügung. Am Nigeria Centre for Disease Control (NCDC) wurde ein Ebola Emergency Operational Centre (EOC) zur Koordination der Maßnahmen eingerichtet. Entscheidend für die effektive Arbeit des EOC war, dass es auf das eingespielte Personal eines Programms zur Bekämpfung von Polio in Nigeria zurückgreifen konnte.
Die wichtigste Aufgabe des EOC war die Nachverfolgung der Kontakte von Sawyer. 150 Kontaktnachverfolger, von denen viele zuvor im Polio-Programm gearbeitet hatten, führten mehr als 18.500 Besuche durch und nutzen Mobilfunkdaten, um 894 Personen zu identifizieren, die einen direkten oder indirekten Kontakt mit Sawyer gehabt hatten. Diese Personen wurden über die maximale Ebola-Inkubationszeit hinweg überwacht (21 Tage). Entwickelten sie Symptome, wurden sie isoliert und bei positivem Testergebnis in ein Behandlungszentrum verlegt. Insgesamt erkrankten 2014 in Nigeria 20 Personen, von denen acht starben. Die WHO lobte die erfolgreiche Kontaktnachverfolgung unter schwierigsten Bedingungen als eine „Weltklasseleistung epidemiologischer Detektivarbeit“.
Was bedeutet dies für Corona in Nigeria und in Afrika? Aufgrund ihrer Erfahrungen mit Infektionskrankheiten haben viele afrikanische Länder in den letzten Jahren Strukturen zur Bekämpfung von Epidemien aufgebaut. Diese Maßnahmen und der zeitliche Vorsprung, den der Kontinent gegenüber anderen Weltregionen in der Corona-Pandemie hat, sind von Vorteil. Dies gilt aber nur in einem frühen Stadium, solange sich durch die Identifizierung und Isolation infizierter Personen die Infektionsketten noch unterbrechen lassen. Einer unkontrollierten Ausbreitung von Covid-19 hätten die meisten afrikanischen Länder aufgrund ihrer in der Breite schwachen Gesundheitssysteme kaum etwas entgegenzusetzen.
Von Nigeria lernenAuch wenn Covid-19 und Ebola nur bedingt vergleichbar sind, können reichere Länder von Nigerias Erfahrungen lernen. Dies gilt insbesondere für die entschiedene Kontaktnachverfolgung, das umfangreiche Testen und die konsequente Isolation von Verdachtsfällen. Der Faktor Zeit ist dabei entscheidend: Je früher die Maßnahmen beginnen, umso eher können die Infektionsketten noch unterbrochen werden.
Der nigerianische Erfolg in der Bekämpfung von Ebola hält aber auch eine wichtige Erkenntnis für die internationale Entwicklungszusammenarbeit bereit: In ärmeren Ländern funktioniert nicht zwangsläufig alles schlechter als in reicheren Ländern. Was die Qualität von Regierungsführung und Verwaltung angeht, trifft dies in der Breite zwar oft zu, die lokalen Realitäten sind aber meist vielschichtiger. Schwache und leistungsfähige Institutionen existieren vielerorts nebeneinander. Unter dem Konzept der „pockets of effectiveness“ (Nischen der Effektivität) werden diese positiven Ausreißer in der Forschung erst seit kurzem untersucht. Nigerias Seuchenbekämpfungsbehörde NCDC ist eine solche Nische der Effektivität, wie die Organisation seit der Eindämmung von Ebola 2014 wiederholt unter Beweis gestellt hat.
In Ergänzung bisheriger Ansätze sollte die deutsche Entwicklungspolitik systematischer nach solchen Nischen der Effektivität suchen. Die Akteure hinter diesen Organisationen bieten vielversprechende Anknüpfungspunkte für nachhaltige Reformen sowohl in den Reformpartnerländern wie in fragilen Staaten. Unabhängig davon, wie sich die Zahlen der Covid-19-Infizierten in Afrika in den nächsten Monaten entwickeln, wird die globale wirtschaftliche Rezession den Kontinent schwer treffen. Zur Unterstützung des Wiederaufschwungs durch die deutsche und internationale Entwicklungspolitik wäre die gezielte Identifizierung und Unterstützung von Nischen der Effektivität und den Reformakteure dahinter ein wichtiger zusätzlicher Ansatz – im Gesundheitssektor und darüber hinaus.
Dieser Text ist Teil einer Sonderreihe unseres Formats Die aktuelle Kolumne, die die Folgen der Corona-Krise entwicklungspolitisch und sozioökonomisch einordnet. Sie finden die weiteren Texte hier auf unserer Überblicksseite.
Ist Afrika der Corona-Pandemie schutzlos ausgeliefert? Dies scheint naheliegend, zwingt die Pandemie doch selbst Gesundheitssysteme in die Knie, die sehr viel besser ausgestattet sind als die vieler afrikanischer Länder. Doch diese Schlussfolgerung ist voreilig. Einige afrikanische Länder sind zum Teil sogar besser auf Pandemien vorbereitet als Europa und die USA. Warum das so ist und was reichere Länder sowie die Entwicklungspolitik daraus lernen können, zeigt ein Blick auf die erfolgreiche Bekämpfung des Ebola-Ausbruchs 2014 in Nigeria.
Lernen aus ErfahrungWie andere Länder Afrikas, hat auch Nigeria Erfahrung mit Infektionskrankheiten wie Cholera, Meningitis, Gelbfieber, Lassafieber oder Ebola. Während der bisher größten Ebola-Epidemie starben in Westafrika zwischen 2014 und 2016 11.325 Menschen. Die Zahl der Opfer wäre noch deutlich höher gewesen, wenn sich die Krankheit mit Nigeria auch im bevölkerungsreichsten Land des Kontinents verbreitet hätte. Ebola erreichte Lagos, die mit 21 Millionen Einwohnern größte Stadt Afrikas, am 20. Juli 2014. An diesem Tag landete dort der liberianische Diplomat Patrick Sawyer, der sich zuvor in Liberia bei der Beerdigung seiner an Ebola verstorbenen Schwester infiziert hatte. Doch entgegen allen Befürchtungen, von Lagos aus würde sich die Krankheit national und international ausbreiten, wurde der Ausbruch erfolgreich gestoppt.
Wie war dies möglich in einem Land mit schwachem Gesundheitssystem, regelmäßigen stundenlangen Stromausfällen und weit verbreiteter Korruption? Zunächst war wichtig, dass vom Zeitpunkt des positiven Testergebnisses an alle Akteure entschieden handelten. Der nigerianische Präsident rief den Notstand aus und stellte finanzielle Mittel zur Verfügung. Am Nigeria Centre for Disease Control (NCDC) wurde ein Ebola Emergency Operational Centre (EOC) zur Koordination der Maßnahmen eingerichtet. Entscheidend für die effektive Arbeit des EOC war, dass es auf das eingespielte Personal eines Programms zur Bekämpfung von Polio in Nigeria zurückgreifen konnte.
Die wichtigste Aufgabe des EOC war die Nachverfolgung der Kontakte von Sawyer. 150 Kontaktnachverfolger, von denen viele zuvor im Polio-Programm gearbeitet hatten, führten mehr als 18.500 Besuche durch und nutzen Mobilfunkdaten, um 894 Personen zu identifizieren, die einen direkten oder indirekten Kontakt mit Sawyer gehabt hatten. Diese Personen wurden über die maximale Ebola-Inkubationszeit hinweg überwacht (21 Tage). Entwickelten sie Symptome, wurden sie isoliert und bei positivem Testergebnis in ein Behandlungszentrum verlegt. Insgesamt erkrankten 2014 in Nigeria 20 Personen, von denen acht starben. Die WHO lobte die erfolgreiche Kontaktnachverfolgung unter schwierigsten Bedingungen als eine „Weltklasseleistung epidemiologischer Detektivarbeit“.
Was bedeutet dies für Corona in Nigeria und in Afrika? Aufgrund ihrer Erfahrungen mit Infektionskrankheiten haben viele afrikanische Länder in den letzten Jahren Strukturen zur Bekämpfung von Epidemien aufgebaut. Diese Maßnahmen und der zeitliche Vorsprung, den der Kontinent gegenüber anderen Weltregionen in der Corona-Pandemie hat, sind von Vorteil. Dies gilt aber nur in einem frühen Stadium, solange sich durch die Identifizierung und Isolation infizierter Personen die Infektionsketten noch unterbrechen lassen. Einer unkontrollierten Ausbreitung von Covid-19 hätten die meisten afrikanischen Länder aufgrund ihrer in der Breite schwachen Gesundheitssysteme kaum etwas entgegenzusetzen.
Von Nigeria lernenAuch wenn Covid-19 und Ebola nur bedingt vergleichbar sind, können reichere Länder von Nigerias Erfahrungen lernen. Dies gilt insbesondere für die entschiedene Kontaktnachverfolgung, das umfangreiche Testen und die konsequente Isolation von Verdachtsfällen. Der Faktor Zeit ist dabei entscheidend: Je früher die Maßnahmen beginnen, umso eher können die Infektionsketten noch unterbrochen werden.
Der nigerianische Erfolg in der Bekämpfung von Ebola hält aber auch eine wichtige Erkenntnis für die internationale Entwicklungszusammenarbeit bereit: In ärmeren Ländern funktioniert nicht zwangsläufig alles schlechter als in reicheren Ländern. Was die Qualität von Regierungsführung und Verwaltung angeht, trifft dies in der Breite zwar oft zu, die lokalen Realitäten sind aber meist vielschichtiger. Schwache und leistungsfähige Institutionen existieren vielerorts nebeneinander. Unter dem Konzept der „pockets of effectiveness“ (Nischen der Effektivität) werden diese positiven Ausreißer in der Forschung erst seit kurzem untersucht. Nigerias Seuchenbekämpfungsbehörde NCDC ist eine solche Nische der Effektivität, wie die Organisation seit der Eindämmung von Ebola 2014 wiederholt unter Beweis gestellt hat.
In Ergänzung bisheriger Ansätze sollte die deutsche Entwicklungspolitik systematischer nach solchen Nischen der Effektivität suchen. Die Akteure hinter diesen Organisationen bieten vielversprechende Anknüpfungspunkte für nachhaltige Reformen sowohl in den Reformpartnerländern wie in fragilen Staaten. Unabhängig davon, wie sich die Zahlen der Covid-19-Infizierten in Afrika in den nächsten Monaten entwickeln, wird die globale wirtschaftliche Rezession den Kontinent schwer treffen. Zur Unterstützung des Wiederaufschwungs durch die deutsche und internationale Entwicklungspolitik wäre die gezielte Identifizierung und Unterstützung von Nischen der Effektivität und den Reformakteure dahinter ein wichtiger zusätzlicher Ansatz – im Gesundheitssektor und darüber hinaus.
Dieser Text ist Teil einer Sonderreihe unseres Formats Die aktuelle Kolumne, die die Folgen der Corona-Krise entwicklungspolitisch und sozioökonomisch einordnet. Sie finden die weiteren Texte hier auf unserer Überblicksseite.
Die Corona-Pandemie, die im Dezember 2019 ihren Anfang nahm und sich derzeit weltweit rasch ausbreitet, wirkt sich auf die Wirtschaft und damit auch auf den Immobilienmarkt spürbar aus. Da die Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung die Umsätze massiv zurückgehen lassen, sind insbesondere die kleinen und mittleren Unternehmen aus dem Dienstleistungs-, Gastgewerbe- und Verkehrssektor, aber auch Soloselbstständige häufig nicht in der Lage, ihren kurzfristigen Verpflichtungen wie Mieten, Kreditzinsen und Arbeitskosten nachzukommen, und damit existentiell gefährdet. Private MieterInnen sind ebenso betroffen, wenn sie wegen der Eindämmungsbestimmungen kein oder deutlich weniger Einkommen beziehen. Erste Vorschläge und staatliche Maßnahmen zielen darauf ab, den gewerblichen und privaten MieterInnen und WohnimmobilienbesitzerInnen in diesen schwierigen Zeiten möglichst unbürokratisch zu helfen. Welche Regierung was beschlossen hat oder plant, soll hier im Einzelnen vorgestellt werden.
Die Corona-Pandemie trifft die Menschheit wie ein globaler Tsunami: sie fordert Menschenleben in einer noch unvorhersehbaren Zahl, bringt Gesundheitssysteme an ihre Grenzen, unterbricht globale Lieferketten und bringt den Finanzsektor ins Schwanken. Auf der ganzen Welt werden Maßnahmen getroffen, um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen und den wirtschaftlichen Schaden zu minimieren. Dass dabei auch Verhaltensänderungen auf individueller Ebene stattfinden müssen, ist unabdingbar.
Aus verhaltenswissenschaftlicher Perspektive sind in der aktuellen Krise drei Punkte besonders relevant: Erstens, die Situation erfordert, dass wir uns individuell für das globale Gemeinwohl einschränken. Häufig geht es dabei primär nicht um das eigene Wohlergehen, sondern vor allem um das Wohlergehen anderer. Zweitens, die Wirksamkeit unseres individuellen Handelns ist oft ungewiss und nur schwer nachzuvollziehen. Die Kosten unseres Verzichts hingegen sind direkt spürbar und können unsere Lebensumstände gravierend verändern. Drittens, die Einschränkungen, die von uns gefordert werden, fallen jetzt in der Gegenwart an, während die positiven Auswirkungen unseres Verzichts größtenteils zeitlich versetzt in der Zukunft liegen.
Die Situation, die wir aufgrund der Corona-Pandemie aktuell erleben, hat viele Parallelen zur Bedrohung durch den Klimawandel. Auch die Klimakrise bedroht das menschliche Leben in einem unabsehbaren Ausmaß. Genau wie bei einer weltweiten Pandemie erfordert sie von uns individuelle Einschränkungen für das globale Gemeinwohl. Auch hier sind die Kosten unseres Verzichts direkt spürbar, während der Nutzen oft ungewiss erscheint und in der Zukunft liegt.
Die aktuelle Situation zeigt, dass Verhaltensänderungen unter solchen Umständen schwierig sind. Trotz anfänglicher Appelle an freiwillige soziale Isolation, hat der Großteil der Menschen diese in den letzten Wochen erst aufgrund politischer Vorgaben und verschobener Anreizsysteme eingehalten. Ähnlich haben sich, entgegen aller Empfehlungen von Expert*innen, individuelle Lebensstile für mehr Klimaschutz in den letzten Jahren nur wenig oder schleppend verändert. Um die Klimakrise erfolgreich abzuwenden, scheint somit auch hier das richtige Maß an politischen Regulierungen zur Verschiebung von Anreizsystemen entscheidend zu sein. Im Vergleich zur Akzeptanz aktueller Einschränkungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie ist die Bereitschaft für Verhaltensänderungen für den Klimaschutz beim Großteil der Gesellschaft allerdings bislang noch sehr gering. Woran liegt das?
Ein wichtiger Unterschied zwischen der Bedrohung durch die Corona-Pandemie und der Klimakrise liegt in zwei Dimensionen: der persönlichen sowie der zeitlichen Distanz. Je weiter entfernt eine Bedrohung erscheint, desto geringer ist die Bereitschaft zu handeln. Die Corona-Pandemie ist momentan sehr präsent; die zeitliche Distanz ist somit gering. Die persönliche Distanz variiert. Manche Menschen sind bereits direkt betroffen, während andere bisher nur über Medien vom Ausmaß des Virus erfahren haben. Die Folgen der Klimakrise hingegen sind für viele Menschen bislang nur schwer ersichtlich. Sie erstrecken sich über einen längeren Zeitraum und beeinflussen den Alltag der meisten Menschen in Europa aktuell noch wenig. Die Bedrohung durch den Klimawandel erscheint somit für viele noch in der Zukunft zu liegen und die Bereitschaft für sofortige Verhaltensänderungen ist gering.
Aktuelle Studien zu China und Italien zeigen, dass die weltweiten negativen Auswirkungen menschlichen Handelns auf die Umwelt seit Ausbruch der Corona-Pandemie erheblich zurückgegangen sind. Vielleicht bietet der derzeitige Ausnahmezustand die Möglichkeit, eigene Verhaltensweisen auch für den Klimaschutz noch einmal individuell zu hinterfragen. Wir lernen beispielsweise gerade, vermehrt digitale Lösungen zu nutzen und mit einer verringerten Mobilität umzugehen – ein wichtiger Baustein auch zur Globalen Nachhaltigkeit. Genauso sollten politische Entscheidungsträger den Klimaschutz jetzt nicht aus den Augen verlieren. Die Klimakrise mag aktuell aus dem Fokus öffentlicher Aufmerksamkeit geraten sein, jedoch wird sie dadurch nicht weniger relevant. Im Gegenteil: wenn bei den aktuellen politischen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie die Folgen für den Klimaschutz nicht mit einbezogen werden, könnte dies erhebliche Folgen für unsere Zukunft haben.
Damit politische Maßnahmen für individuelle Verhaltensänderungen von der Gesellschaft akzeptiert werden, muss aus verhaltenswissenschaftlicher Sicht klar kommuniziert werden, dass individuelles Verhalten ausschlaggebend für kollektiven Erfolg ist. Zudem muss die Wirksamkeit des individuellen Handelns greifbar gemacht werden, damit die Menschen bereit sind, die Kosten individuellen Verzichts in Kauf zu nehmen. Darüber hinaus muss die Dringlichkeit sofortiger Einschränkungen für zukünftige Erfolge veranschaulicht werden, damit die Notwendigkeit für frühes Handeln allgemein gesellschaftlich verstanden wird. Dies gilt sowohl für die Bekämpfung der Corona-Pandemie als auch für den Klimaschutz.
Da die persönliche und zeitliche Distanz zur Klimakrise für viele Menschen aktuell noch größer erscheint, sind diese Punkte für den Klimaschutz momentan noch schwieriger zu vermitteln als für die Bekämpfung der Corona-Pandemie. Es erfordert ein demokratisch-verankertes politisches System, das den Rat der Wissenschaft schätzt und dennoch bereit ist, jetzt die Weichen für eine nachhaltige Zukunft zu stellen. Je später wir damit anfangen, unser Verhalten umstellen, desto drastischer werden die Veränderungen in der Zukunft ausfallen müssen.
Dieser Text ist Teil einer Sonderreihe unseres Formats Die aktuelle Kolumne, die die Folgen der Corona-Krise entwicklungspolitisch und sozioökonomisch einordnet. Sie finden die weiteren Texte hier auf unserer Überblicksseite.