Der Erdölpreis befindet sich im freien Fall: Nachdem sich der Markt seit 2016 zunehmend stabilisiert hatte, brach der Preis im ersten Quartal 2020 um etwa 70 Prozent ein. Für diesen Rückgang hat einerseits die Corona-Krise gesorgt, anderseits aber auch der Preiskrieg zwischen Saudi-Arabien und Russland. Verhandlungen zwischen der von Saudi-Arabien dominierten Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) und Russland über Förderkürzungen erlitten Anfang März einen Dämpfer, eine Einigung blieb zunächst aus. Rund einen Monat später verständigten sich die OPEC-Mitglieder und weitere Ölexporteure nach zähem Ringen doch auf eine umfangreiche Drosselung, deren Ankündigung die Talfahrt allerdings noch nicht beenden konnte. Der Preis für Erdöl der US-Sorte WTI stürzte erstmals in seiner Geschichte ins Minus, der Preis für die internationale Referenzsorte Brent rutschte ebenfalls wieder ab. Vor allem da Erdöllager, die Marktschwankungen sonst abfedern, nun zunehmend gefüllt sind, dürften sich die Turbulenzen in den kommenden Wochen fortsetzen. Marktsimulationen am DIW Berlin zeigen, wie sowohl Angebot als auch Nachfrage den Ölpreis destabilisiert haben. Die Ergebnisse geben Aufschluss, welche Preispfade möglich sind, aber auch welche Relevanz Corona-Krise, Preiskrieg und anstehenden Förderkürzungen hierbei zukommt.
Neue erweiterte Fassung – die um 9.30 Uhr versandte war unvollständig!
Die wirtschaftlichen und sozialen Einschränkungen durch die Corona-Maßnahmen hat die große Mehrheit der Deutschen mit Disziplin mitgetragen. Sogar am Osterwochenende hielt sich die Bevölkerung an die weitreichenden Kontaktbeschränkungen. Doch nun wecken selektive Lockerungsmaßnahmen, also die Wiedereröffnung von vielen Geschäften und öffentlichen Einrichtungen wie Schulen, die Hoffnung auf die Rückkehr in die Normalität. Damit wächst auch die Gefahr, dass die Selbstdisziplin nachlässt. Eine seit mehr als einem Monat laufende tägliche Befragung von infratest dimap lässt erst geringe Ermüdungserscheinungen in der Bevölkerung erkennen und zeigt auch, dass rund 40 Prozent der Menschen im Land sich durch die bisherigen Maßnahmen stark eingeschränkt sehen. Die Erhebung zeigt zudem, wie die Befragten weiteren Maßnahmen wie Tracing-App und Schutzmaskenpflicht gegenüberstehen.
DIW-Präsident Marcel Fratzscher kommentiert die Einigung des Koalitionsausschusses auf weitere Corona-Hilfen:
Die Beschlüsse der Koalition sind nur zum Teil eine sinnvolle Nachbesserung des Wirtschaftsprogramms. Die stufenweise Erhöhung des Kurzarbeitergelds ist hilfreich, um Menschen, die über eine längere Zeit von Einkommensverlusten betroffen sind, stärker zu unterstützen. Die temporäre Reduzierung der Mehrwertsteuer für die Gastronomie ist aber eher symbolisch und dürfte den meisten Betroffenen kaum helfen, denn sie wird erst dann wirksam, wenn Gaststätten wieder Umsatz generieren können. Solange sie geschlossen bleiben oder der Umsatz beschränkt ist, dürfte diese Maßnahme eine Welle von Insolvenzen in der Branche nicht verhindern können. Die Steuerverrechnung von Verlusten dagegen ist extrem sinnvoll, um Unternehmen effektiv finanziell zu entlasten, gerade auch, wenn sie eben keine Umsätze haben. Das Paket der Koalition ist zudem eine verpasste Chance, vor allem jungen Familien zu helfen. Viele können kaum noch weitere vier Monate den Spagat von Schul- und Kitaschließungen, Home-Schooling und Kinderbetreuung zu Hause bei gleichzeitigem Home-Office leisten. Vor allem Mütter zahlen einen enorm hohen Preis, da ein überproportionaler Teil der zusätzlichen Aufgaben von Ihnen geleistet werden wird. Die Corona-Krise könnte einen empfindlichen Rückschritt bei der Gleichstellung bedeuten. Ein Corona-Elterngeld und eine Corona-Elternzeit mit Lohnausgleich, gekoppelt mit einer massiven Ausweitung von Kita- und Schul-Angeboten sind wichtige und dringende Maßnahmen, um jungen Familien konkret zu helfen.Die Corona-Pandemie hat das Leben vieler Familien auf den Kopf gestellt. Kitas und Schulen sind geschlossen, viele Kinder sind nun tagsüber zu Hause – genau wie viele Eltern, die etwa vom Home-Office aus arbeiten. Was bedeutet diese Konstellation für Eltern und deren Zeiteinteilung mit Blick auf Kinderbetreuung, Erwerbsarbeit und Hausarbeit? Aktuelle repräsentative Daten zu diesen Aspekten gibt es noch nicht, allerdings geben frühere Zeitverwendungsdaten für Eltern mit Kita-Kindern und Eltern mit Kindern, die nicht in einer Kita betreut werden, Hinweise zu erwartenden Effekten. Alles deutet darauf hin: Die Hauptlast tragen wohl vielerorts die Mütter.
Spätestens seit Ende März ist die Corona-Krise endgültig in Deutschland angekommen. Unklar ist aber bis heute, inwieweit die offizielle Fallzahl die tatsächliche Entwicklung der Epidemie widerspiegelt. Nutzen und Kosten einer möglichen Lockerung der einschränkenden Maßnahmen können allerdings nur dann sinnvoll betrachtet werden, wenn die Zahl der Erkrankten und die aktuelle Infektionsgeschwindigkeit bekannt sind. Gleichermaßen benötigen die Gesundheitssysteme in Deutschland und Europa Informationen über die Ausbreitung der Epidemie, um Kapazitäten anzupassen und die Versorgung der Patienten sicherzustellen. Die Entscheidungskriterien, welche Menschen getestet werden, sind in den europäischen Ländern, aber auch innerhalb Deutschlands sehr unterschiedlich. Die derzeit verfügbaren Informationen zu den getesteten Personen sind unzureichend – und damit keine angemessene Grundlage für informierte politische Entscheidungen.
Die heutige Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel zum weiteren Vorgehen in der Corona-Krise kommentiert DIW-Präsident Marcel Fratzscher wie folgt:
Die Bundesregierung hat mit den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder eine vorsichtige und flexible Ausstiegstrategie gewählt. Ich halte diese Strategie aus drei Gründen für klug. Zum einen setzt sie ein klares Signal, dass der Schutz von Menschenleben und Gesundheit die oberste Priorität der Politik bleibt. Zum anderen geht sie mit der nötigen Umsicht vor, da die Unsicherheit über den weiteren Verlauf der Pandemie nach wie vor enorm groß ist. Aber, und das ist der dritte Grund, sie gibt der Politik genug Flexibilität, um auf neue Daten und Fakten angemessen reagieren zu können. Die Politik beweist damit Rückgrat und Standhaftigkeit, indem sie den immer lauter werdenden Forderungen nach baldigen und möglichst weitgehenden Lockerungen widersteht und nicht anderen Ländern mit deutlich schnelleren Ausstiegstrategien folgt. Das Signal, Entscheidungen auf Daten und Fakten, und nicht auf Gefühlen und Forderungen, zu basieren, ist richtig und stärkt der Politik in diesen Zeiten bei ihrer wichtigsten Aufgabe: das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zu wahren. Dass ein Teil des Einzelhandels nun wieder seine Arbeit aufnehmen kann, ist ein ermutigendes Zeichen und sorgt bei vielen für Erleichterung. Doch auch der Wirtschaft dient ein zu schneller Ausstieg nicht, wenn es zu einer zweiten Welle von Ansteckungen kommt und dann weitere Maßnahmen notwendig würden. Ein zentrales Manko des Ausstiegs ist jedoch eine mangelhafte Strategie der Vorsorge in Bezug auf Maskenpflicht, deutlich mehr Tests und einer Nachverfolgung von Infizierten, um zu verhindern, dass mit den Lockerungen eine neue Ansteckungswelle losbricht. Empfehlungen reichen nicht. Auch dem Schutz von Risikogruppen muss eine höhere Priorität eingeräumt werden, die mit konkreten Maßnahmen untermauert wird. Die Politik sollte der Versuchung weiterhin widerstehen, den Interessen einiger weniger zu folgen. Eine kluge Ausstiegstrategie sollte sicherstellen, dass alle Menschen so weit wie möglich, aber auch dauerhaft wieder in ein geregeltes Alltags- und Berufsleben zurückkehren können.Die Verbreitung des Corona-Virus trifft die Wirtschaft weltweit hart. Wie hart genau, ist jedoch schwer vorherzusehen. Prognosen über den Verlauf und die wirtschaftlichen Folgen von Epidemien sind auch deshalb sehr unsicher, weil es an entsprechenden Modellen für die Dynamik von Epidemien mangelt. Ein nachrichtenbasierter Epidemieindex, der Medienberichte für den Zeitraum von Januar 1990 bis Februar 2020 einbezieht, kann an dieser Stelle ansetzen und helfen, die konjunkturellen Auswirkungen epidemischer Schocks auf die deutsche und globale Wirtschaft zu schätzen. Die Analyse zeigt, dass es weltweit zu signifikanten Produktionsrückgängen kommt, die nicht wieder aufgeholt werden, sondern dauerhafter Natur sind. Widerstandsfähige Gesundheitssysteme und eine expansive Wirtschaftspolitik können dazu beitragen, die Kosten von Pandemien zu reduzieren.
Melanie Koch, Research Associate in the International Economics Department and GC Class of 2015, has successfully defended her dissertation at Humboldt-Universität zu Berlin.
The dissertation with the title "Non-Standard Preferences and Beliefs in Financial Decision Making" was supervised by Prof. Dr. Lukas Menkhoff (DIW Berlin) and Prof. Dr. Georg Weizsäcker (HU).
We congratulate Melanie on her success and wish her all the best for her future career.
Um die Auswirkungen der Corona-Krise abzufedern, haben die Zentralbanken weitreichende geldpolitische Maßnahmen ergriffen. Die US-amerikanische Federal Reserve hat ihre Zinsen gesenkt und ebenso wie die Europäische Zentralbank ihre Anleihekaufprogramme ausgeweitet. Fraglich ist, ob diese Maßnahmen den gewünschten Effekt haben, also die Märkte beruhigen und die Realwirtschaft stützen. Zwar lassen sich die gesamtwirtschaftlichen Wirkungen derzeit noch nicht beziffern. Erste Indizien für die Wirksamkeit lassen sich aber an den kurzfristigen Reaktionen von Aktienkursen und Anleiherenditen ablesen. Der folgende Beitrag zeigt auf, wie Zinsen und Kurse unmittelbar auf die Ankündigungen der Zentralbanken reagiert haben und welche Schlüsse sich daraus für zukünftige Maßnahmen ableiten lassen.
Pressemitteilung der Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle, ifo Institut - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München in Kooperation mit der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich, Institut für Weltwirtschaft Kiel (IfW Kiel), RWI - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Kooperation mit dem Institut für Höhere Studien Wien
Die führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihre Konjunkturprognose für Deutschland deutlich nach unten korrigiert. Waren sie im Frühjahr noch von einer Zunahme des Bruttoinlandsprodukts von 0,8% im Jahr 2019 ausgegangen, erwarten sie nun nur noch 0,5%. Gründe für die schwache Entwicklung sind die nachlassende weltweite Nachfrage nach Investitionsgütern, auf deren Export die deutsche Wirtschaft spezialisiert ist, politische Unsicherheit und strukturelle Veränderungen in der Automobilindustrie. Die Finanzpolitik stützt hingegen die gesamtwirtschaftliche Expansion. Für das kommende Jahr senken die Konjunkturforscher ebenfalls ihre Prognose auf 1,1% nach noch 1,8% im Frühjahr.
Der Deutsch-Französische Rat der Wirtschaftsexperten schlägt den Wirtschafts- und Finanzministern vor, sich für Corona-Hilfen einzusetzen. DIW Präsident und Co-Autor des Vorschlags Marcel Fratzscher kommentiert:
Europa steht aktuell vor einer ernormen Herausforderung. Die wirtschaftlichen und finanziellen Folgen der Corona-Krise zu bewältigen, kann nicht allein durch nationale Anstrengungen gelingen. Deshalb schlagen wir als deutsch-französischer Rat der Wirtschaftsexperten, Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, dem französischen Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire und Bundesfinanzminister Olaf Scholz vor, sich für drei konkrete Maßnahmen auf europäischer Ebene einzusetzen. Erstens sollten Deutschland und Frankreich sich für eine zweckgebundene Kreditlinie des Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM, eine sogenannte Covid Credit Line, einsetzen. Mit dieser könnten die Risiken für die wirtschaftliche und finanzielle Stabilität aller EU-Staaten reduziert werden. Zweitens sollte der von der Europäischen Kommission veröffentlichte SURE-Vorschlag genutzt werden, um Arbeitslosenprogramme zu finanzieren. Drittens sollte ein Investitionsfonds, ein Post Covid Investment Fund, aufgesetzt werden. Dieser würde den Wiederaufbau einer nachhaltigeren und widerstandsfähigeren europäischen Wirtschaft finanzieren. Alle EU-Länder durch diese Maßnahmen zu unterstützen ist nicht nur ein Akt der Solidarität, sondern liegt im Eigeninteresse Deutschlands und Frankreichs. Den gemeinsamen Vorschlag (auf Englisch) von Agnès Bénassy Quéré, Nicola Fuchs-Schündeln, Clemens Fuest, Marcel Fratzscher, Christian Gollier, Philippe Martin, Xavier Ragot, Christoph Schmidt, Katheline Schubert können Sie unter "Links" lesen und herunterladen.